KULTUR

Los Gigantes nunca mueren –
Giganten sterben nie!

Gabriel García Márquez, der Schriftsteller und Humanist zwischen Realität und Poesie

„Giganten sterben nie“ hat der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos am 17.04.2014 getwittert, als die Nachricht vom Tod von Gabriel García Márquez um die Welt ging.

Gabo, so sein Spitzname, gilt quasi als „Erfinder“ des „Magischen Realismus“ und begründet damit ein eigenes Genre, in dem Fantasie und Realität kombiniert werden. Und nicht nur das. Durch seinen Erfolg löste er einen wahren Boom lateinamerikanischer Literatur aus.

1982 erhält García Márquez den Nobelpreis für Literatur für sein wohl bekanntestes Werk „Hundert Jahre Einsamkeit“. Vor ihm wurde nur drei Lateinamerikanern diese, wie er meinte, „harte Ehre“ zuteil: der Chilenin Gabriela Mistral 1945, dem Guatemalteken Miguel Angel Asturias 1967 und dem Chilenen Pablo Neruda 1971.

Leben und Konflikt eines Kontinents

Was García Márquez in jeder Facette seines Wirkens ausgemacht hat ist die Fähigkeit, eine oftmals erdrückende Realität so poetisch und magisch zu verarbeiten, dass diese Realität von Lesern aller Couleur wahrgenommen d. h. gelesen und verdaut wird. Man könnte sagen, er ist in der Fiktion immer der Journalist geblieben, der er einmal war. Das ist der beständige Wert seiner Werke: dass er die ungeheuerliche, gewaltige oder auch überwältigende Wirklichkeit durch Poesie verständlich macht.

Sehr deutlich wird dies anhand seiner wohl berühmtesten Rede anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises 1982, die im Kontext der Zeit zu sehen ist. Es ist die Zeit der Identitätssuche und Identitätsfindung eines ganzen Kontinents namens Lateinamerika. Es ist die Zeit der Erkenntnisse eines Melting Pots unterschiedlichster Kulturen, die über den Spielball der Geschichte zueinander gefunden haben und die sich noch immer wie ein Spielball zu fühlen schienen.

In dieser Rede „Die Einsamkeit Lateinamerikas“ wählt García Márquez bewusst dieses Motiv der Einsamkeit, um die Jahrhunderte alte – und wie er es sah, durch Dritte heraufbeschworene – Isolation des lateinamerikanischen Kontinents zu beschreiben. Er streift die Geschichte verschiedener Staaten und Menschen der letzten Jahrhunderte unter wechselnden Perspektiven, kritisiert mal aus der Innenansicht, mal aus der Ferne ohne einseitige Schuldzuweisungen. Er beschreibt die Ausbeutung des unbekannten „Eldorado“ durch fremde Herrscher, nicht ohne zu vergessen, den eigenen „Wahnsinn“ durch die lateinamerikanischen Diktatoren zu spiegeln. „Wir hatten keinen Moment der Ruhe.“

Mit einer unmissverständlichen Klarheit fordert der Schriftsteller von uns Europäern mehr Geduld und Verständnis für die Belange Lateinamerikas, da so wie er sagt, „die Suche nach der eigenen Identität für uns ebenso hart und blutig ist, wie einst für sie.“ Wir sollten uns unsere eigene wechselvolle Geschichte vor Augen führen.

„Vielleicht wäre das ehrwürdige Europa verständnisvoller, wenn es uns in seiner eigenen Vergangenheit zu sehen versuchte“, sagt der Lateinamerikaner. Nach seinen Aussagen will Lateinamerika keine „willenlose Schachfigur“ mehr sein und erbittet die Unterstützung der Europäer in dem Bestreben, soziale Veränderungen in Lateinamerika mit eigenen Ideen und eigener Methodik durchzusetzen.

Und García Márquez schafft es in seinem Appell, diesem großen Kontinent und seinen Menschen trotz aller Unterschiede eine historische und gegenwärtige Einheit zu verleihen, und bestärkt so deren Wunsch nach einer eigenbestimmten und nicht fremddominierten Rolle Lateinamerikas in der Welt.

Yvonne Steiner, BRS Dortmund, April 2015

Quelle: "Ich bin nicht hier, um eine Rede zu halten." Buch von Gabriel García Márquez, 2012
 „Con Gabo en sus manos“ – Mit Gabo, García Márquez in Händen
Quelle: ©Hacemeun 14, Kolumbien
 „Con Gabo en sus manos“ – Mit Gabo, García Marquez in Händen