Der Ball ist rund
Ulama – El Juego de Pelota
Als die Fußballweltmeisterschaft 1986 in Mexico stattfindet, ist Fußball, so wie wir ihn kennen, etwas mehr als 100 Jahre alt. Und die Lateinamerikaner bleiben bei den Weltmeisterschaften in Uruguay, Chile, Mexico, Brasilien und Argentinien bis 2014 auf dem eigenen Kontinent ungeschlagen; aber das ist eine andere Geschichte. Und gewonnen hat 1986 Argentinien mit dem damals besten Spieler der Welt - und seiner „Hand Gottes“.
Allerdings ist die WM 86 weit vor Anpfiff bereits ein richtiger Thriller. Der Weltmeister soll eigentlich in Kolumbien gekrönt werden. Kolumbien nimmt zwar zuerst an, aber 1982 verzichtet der damalige Präsident Belisario Betancur offiziell auf die Austragung der Weltmeisterschaft. Die immensen Kosten wurden von der Bevölkerung dieses leidenschaftlichen Fußballlandes nicht mitgetragen. Weit über die Hälfte aller Kolumbianer sollen sich bei einer Umfrage gegen die Ausrichtung in ihrem Land ausgesprochen haben. Staatspräsident Betancur entschied: "Sehen wir uns die nächste WM lieber im Fernsehen an."*1 Danach setzt sich Mexico bei der FIFA als Ersatzausrichter vor den stark favorisierten USA durch. Ein starkes Erdbeben 1985 in Mexico macht um ein Haar auch diesen Plan zunichte.
Das erste Spiel zweier nationaler Fußballmannschaften findet 1872 statt - Schottland gegen England -, da haben Ballspiele in Mexico bereits eine sehr alte Tradition. Vielleicht liegt es am Gummisaft bzw. Kautschuk, der in Mesoamerika schon in präkolumbianischer Zeit bekannt war. Das belegen nicht zuletzt archäologische Funde. Vermutlich sind es die Eroberer Christoph Columbus oder Hernán Cortés, die das Wissen um die elastischen Bälle nach Europa tragen. Im Baskenland gibt es den Nationalsport „Pelota“, und es ist allzu reizvoll, hier eine Verbindung zu sehen, vor allem, weil dieses Pelota als rasantes Jai-Alai u. a. in Florida seine Heimat findet. So schlösse sich der Kreis. Aber Pelota scheint bereits vor der Entdeckung Amerikas durch Columbus existiert zu haben.
Das rituelle Ulama, Pelota oder Pok-ta-Pok, wie das Spiel der Mayas hier nach dem Geräusch, den die Gummikugel macht, genannt wird, ist mit seinen Vorläufern ca. 3000 Jahre alt. Hunderte von Spielflächen in Mexico und Guatemala zeugen von der Popularität des Urahns unseres heutigen Fußballs. Obwohl die Spieler den Ball eben nicht mit dem Fuß berühren dürfen - und auch nicht mit göttlichen Händen. Zwar variieren die Spielregeln je nach Region und Zeitalter, jedoch sind die Ballspiele bei den mesoamerikanischen Völkern mit Symbolik, Kult und Ritualen verknüpft, mit Sonne und Mond, Leben und Tod.
Tödliche Spielregeln
Beim Ulama ist es das Ziel, mit einer Mannschaft von je zwei bis vier Spielern einen schweren Kautschukball z. B. mit der Hüfte, dem Knie oder dem Ellenbogen durch einen steinernen Ring an der Wand zu schießen, der in einer Höhe von 2,50 oder 3,50 angebracht ist. Der Ball darf nicht den Boden des eigenen Spielfeldes berühren, das einem I oder H gleicht. Die Spieler sind mit breiten Hüftgürteln als Körperschutz bekleidet, tragen Körperbemalung und Kopfschmuck.
Obwohl die Spielregeln anhand verschiedener Zeichnungen auf Gefäßen oder auf Steinmonumenten rekonstruiert werden können, scheint die Wissenschaft uneinig darüber, ob es zu Opferhandlungen gekommen ist bzw., ob es sich dabei um die Gewinner oder um die Verlierer handelte. Erst 2013 ist eine über 1000 Jahre alte Spielerstatue in Piedra Labrada im südlichen Mexico gefunden worden, die einem Ritual unterzogen worden ist: Sie wurde geköpft.
Auch heute soll es noch eine von der mexikanischen Regierung anerkannte Mannschaft von Pok-Ta- Pok-Spielern geben, die in authentischer Bekleidung und nach den belegten Regeln im Nachbau einer historischen Anlage spielen *2 – dies allerdings körperlich unbeschadet mehr als eine Saison.