LAV

Delatrade und die Kuba-Umschuldungen

Die erfolgreiche Arbeit des LAV über die Länderausschüsse

10. April 2015 – der Handschlag von Präsident Obama und Raúl Castro geht um die Welt, und wir sind Zeitzeugen der Wiederannäherung der USA und Kuba. Wer hätte 1985 gedacht, dass die USA 30 Jahre später das Embargo gegen seinen Erzfeind Kuba aufheben würde? Wohl kaum einer. Denn in den darauffolgenden Jahren verschärft sich die Beziehung eher und mündet 1992 darin, dass das Embargo in den USA als Gesetz festgeschrieben wird. Aber, wenn wir ehrlich sind, wer hätte auf der anderen Seite gedacht, dass Kuba und Castro sich so lange „als System“ halten?

Als Gorbatschow 1985 den Weg der Perestroika einschlägt, verschärft sich die Lage für Kuba dramatisch. Die Ostblockstaaten zerfallen kontinuierlich und schlussendlich fällt 1989 auch die Mauer in Berlin. „Im Endeffekt verlor Kuba auf einen Schlag nicht nur seine wichtigsten Lieferanten, sondern auch all seine Abnehmer, das muss man sich mal vorstellen,“ so erinnert sich Peter Schirrmann, von der Handelsfirma Delatrade in Hamburg, der seit 1984 den LAV-Ausschuss Kuba als Vorsitzender leitet. Damals noch als Mitarbeiter der Degussa, die Futtermitteladditive und Dentalprodukte nach Kuba lieferte und dort ein eigenes Büro betrieb und das im Jahre 1991 von Peter Schirrmann als Unternehmer übernommen wird.

1986/1987 geht es also Kuba aufgrund der geopolitischen Neuordnung sehr schlecht, kaum einer will mehr liefern, die Bevölkerung leidet. Daher ergreift die Führung Kubas im September 1987 die Initiative und wendet sich an den LAV – genau gesagt an den Mann, der ihr Vertrauen genießt, Peter Schirrmann, um ein unerwartetes Angebot zu machen: Forderungsausgleich durch Umschuldung von Altlasten. Es trifft eine 10-köpfige kubanische Verhandlungsdelegation in Deutschland ein. „Wir mussten uns erst einmal organisieren und feststellen, welcher Exporteur wieviel Außenstände hatte, und uns wurde ziemlich schnell klar, dass wir nicht für die Großindustrie einstehen können, sondern wir mussten die Durchführbarkeit für den Mittelstand gewährleisten und einen Wert finden, der prompt zahlbar war.“ Und so fragte Herr Schirrmann die Kubaner: „Wie vielen Exporteuren schuldet ihr bis zu 100.000,- DM?“. 40 Unternehmen finden sich.

Natürlich dachten die Kubaner anfänglich an eine klassische Umschuldung mit Nachlässen, neuen Fälligkeiten, etc. Aber nach drei Monaten Verhandlungsmarathon, konnte dieser mit einem Vertrag  erfolgreich abgeschlossen werden. „Alle 40 Gläubiger erhielten ihr Geld ohne Umschuldungen zu gewähren oder irgendwelche Abstriche machen zu müssen“, erzählt der ausgewiesene Kuba-Experte nicht ohne Stolz.

Dies ist nicht das erste Mal, dass der LAV als Repräsentant der deutschen Regierung und Wirtschaft besondere Aufgaben wahrnimmt. Bereits 1974 ist die Regierung von Kuba über die Nationalbank an den LAV herangetreten, um Altschulden zu begleichen, die aus der Zeit der Nationalisierungswelle in Kuba vor 1963 stammten. Nach jahrelanger intensiver Arbeit wird im November 1978 in Havanna ein Schuldenabkommen unterzeichnet, das eine Ratenzahlung der Kubaner pro Quartal über mindestens 160.000,- DM vorsieht. Etwa 300 Exporteuren wird ein Ausgleich des Forderungsvolumens von insgesamt rund 2,2 Mio. DM zugesagt. Diese Transfers erfolgen vollständig in den Jahren 1979-1981.

„Von den Mitgliedern für die Mitglieder“.

Als der LAV 1916 in Zeiten des Krieges und der Nachrichtensperre gegründet wird, machen die Mitglieder aus der Not eine Tugend. Sie stützen sich auf die Erfahrungen ihrer Mitglieder-Kollegen und tauschen Informationen untereinander aus. Berichte aus erster Hand über die Lage eines Landes und seiner Bevölkerung, die Handelsmöglichkeiten und Hemmnisse, werden Grundpfeiler des Lateinamerika Vereins. „Von den Mitgliedern für die Mitglieder“. Der Nutzen und der Zusammenhalt der Mitglieder werden besonders deutlich, wenn wir über die Funktion der Länderausschüsse des LAV sprechen. Diese Ausschüsse sind zu allen Ländern vorhanden und tagen bei Bedarf.


Interviewer: Yvonne Steiner, BRS Dortmund, Februar 2015
Peter Schirrmann und Fidel Castro in Havanna im Mai 1999.
Mit freundlicher Genehmigung von Peter Schirrmann, Delatrade Handelsgesellschaft mbH
Peter Schirrmann und Fidel Castro in Havanna im Mai 1999.
Auszüge aus dem Vertrag zwischen der Nationalbank von Kuba und dem Lateinamerika Verein vom 9. November 1978
Quelle: LAV
Auszüge aus dem Vertrag zwischen der Nationalbank von Kuba und dem Lateinamerika Verein vom 9. November 1978