LAV

Mit Querdenkern weiter in die Zukunft

Die Gründung des Institutes für Iberoamerika-Kunde (IIK) durch den LAV    

Wieviel visionäre Kraft Querdenker freisetzen können, zeigt der Lateinamerika Verein im Laufe seiner Geschichte durch die Gründung diverser zukunftsweisender Institute. Eine Institution, die sich in den 60er Jahren in der Tradition des Iberoamerikanischen Institutes von 1917-1945 sah*1, besteht bis heute und hat seit dessen Gründung am 12.10.1962 eine große Karriere gemacht. Es ist das Institut für Iberoamerika-Kunde (IIK), jetzt GIGA Institut für Lateinamerika-Studien (ILAS) und somit Teil des weltweit bekannten GIGA German Institute of Global and Area Studies, ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Hamburg und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

1962 spiegelt sich im Haus an der Alsterglacis eine immense Aufbruchstimmung in der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Das Haus an der Alsterglacis, bezeichnet das repräsentative Ibero-Amerika-Haus, in dem sich in den 60er Jahren der heutige LAV mit seinen „Tochterorganisationen“, z.B. die „Deutsche Bolívar Gesellschaft Hamburg-Bremen e.V.*2, die „Deutsche Ibero-Amerika-Stiftung*3 und das IIK befunden hat und mit der Linga-Bibliothek ein Kompetenzzentrum für Lateinamerika darstellte, in dem die Konsuln und Minister ein- und ausgingen.

Rückblick

Im Oktober 1961 kommt Bundespräsident Lübke zum Ibero-Amerika-Tag nach Hamburg und besucht vor der Veranstaltung das Ibero-Amerika Haus. „… dessen bibliothekarische Schätze ihn“, so offiziell laut Tätigkeitsbericht des Vereins für 1961, „anregten, die Errichtung eines Ibero-Amerika Instituts in Hamburg vorzuschlagen“. Dieser Anregung wird 1962 nur allzu gern Folge geleistet, denn der damalige Geschäftsführer des LAV, Dr. Friedrich Wehner, die eigentliche Antriebsfeder für das Projekt, hat schon länger die Erkenntnis, dass es nicht genüge, die Wirtschaft allein über Lateinamerika zu beraten, sondern dass auch für die Wirtschaft geforscht werden müsse. Und dafür sollte eine institutionelle Basis geschaffen werden, eine eigene Rechtsperson mit eigenem Vorstand.

Das Institut hat dann aus der Wirtschaft Forschungsaufträge erhalten. Als Querdenker bekannt, sah Wehner den ganzheitlichen Aspekt eines Kompetenzzentrums, der Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen, der wirtschaftlich-fachlichen Nutzeffekte, die gesellschaftlichen Kontakte, die kulturelle wie auch wissenschaftliche Förderung. Die Ibero-Amerika-Stiftung sorgte dafür, dass Künstler und junge Wissenschaftler nach Hamburg eingeladen wurden, sowie andererseits junge deutsche Historiker, Geographen, Kunsthistoriker und andere, Reisestipendien für Forschungsaufenthalte in Lateinamerika erhielten. Es gab noch keine DFG oder DAAD-Stipendien für diese Zwecke zu der Zeit. So griff eins ins andere.

Das IIK – die Anfänge

Dieses Institut sollte „seine Ausrichtung aus privater Initiative erfahren, keinerlei föderalistischen Bindungen oder fachdisziplinären Schranken verhaftet sein und gegenüber der theoretisch-fachlichen Universitätsausbildung und -forschung, die Notwendigkeit der länderkundlichen Forschung und Dokumentation voranstellen, so die Beschreibung in der Jubiläumsschrift des LAV 1966 zu dessen 50-jährigem Bestehen.

Anders formuliert betreibt das IIK bis ca. 1997 länderbezogen, praxis- und gegenwartsnahe Forschung in den Disziplinen Wirtschaft, Recht, Soziologie und Politologie aus dem Blickwinkel der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik für die Wirtschaft oder Politik. Getragen wird es in den ersten Jahren nach der Gründung im Wesentlichen privatwirtschaftlich aus den Mitteln der Ibero-Amerika Stiftung.

Seismograph für Lateinamerika – Das IIK als Teil des Deutschen Übersee-Institutes (DÜI)

Fragen der Finanzierung rücken mehr und mehr in den Vordergrund wie auch Überlegungen der Politik, ein Institut für Entwicklungshilfe oder zumindest eine Dachorganisation zu schaffen. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg zeigt seine Bereitschaft, die Trägerschaft unter bestimmten Voraussetzungen zu übernehmen. So wird am 16.12.1964 das Deutsche Übersee-Institut gegründet, um die in sich eigenständigen Regionalinstitute für Lateinamerika, Afrika, Asien und Orient zu koordinieren und aufeinander abzustimmen oder wie es in der Gründungsurkunde geheißen haben soll, „zu patronisieren“.

Eigenständige, praxis- und gegenwartsnahe Forschung aus der Sicht der Wirtschaft für die Wirtschaft bleibt weiterhin Schwerpunkt des IIK, wobei die „interdisziplinäre Erkenntnis der iberoamerikanischen Welt in ihrer Gesamtheit“ als „vernachlässigter Forschungsbereich“ und neue Aufgabe erkannt wird*4. Wirklichkeitsnahes Arbeiten ist allen vier Regionalinstituten wichtig, die jedoch einzeln für sich ihre thematischen Schwerpunkte setzen. Als Forschungsgegenstände priorisiert der Gründungsdirektor des DÜI, Andreas Predöhl, Entwicklungsländer, deren wirtschaftliche Integration und Hunger in der Welt.

1976 veröffentlichen die Regionalinstitute den ersten gemeinsamen Forschungsbericht. Dieser spiegelt die Welt über den Nahostkonflikt, die Militärputschs in Südamerika, ein China nach Mao und die Unabhängigkeit Angolas. Wobei kritisiert worden sei, dass der DÜI nicht wissenschaftlich und nicht unabhängig genug arbeite und die sozialpolitischen Themen fehlten. Obgleich es im Institut nicht nur um Wirtschaft ging. Es arbeiteten auch Soziologen und Politologen dort, die zunehmend die Mehrheit der Mitarbeiter stellten. Einer davon Herr Prof. Dr. Detlef Nolte, ist heute Direktor des ILAS.

GIGA Institut für Lateinamerika-Studien (ILAS)

Nach einer gründlichen Transformationsphase wird aus dem DÜI 2006 das „GIGA German Institute of Global and Area Studies“, kurz GIGA. Indem sich das Institut unabhängig, globale Forschungsschwerpunkte setzt, beantwortet es kontinental-übergreifende Fragestellungen und wird dadurch der globalen Welt gerecht.

ILAS setzt als lateinamerikanischer „Flügel“ des GIGA und als Schnittstelle für die europäische Lateinamerika-Forschung erfolgreich Akzente. Es geht um die Untersuchung von Ressourcenkonflikten, wie auch um die Qualität der Demokratie, die Außenpolitik lateinamerikanischer Staaten oder um Herausforderungen durch Konflikte und Kriminalität. Das IIK aus der Wirtschaftswunderzeit 1962 ist nach über 50 Jahren in der Realität des 21. Jahrhunderts angekommen. Die Hälfte der Wissenschaftler am ILAS sind Frauen.

Yvonne Steiner, BRS Dortmund, 2015

*1 Quelle: Institut für Iberoamerika-Kunde, Jahresbericht 1964. Anmerkung: Das Iberoamerika Institut in Hamburg gründete Prof. Schädel 1917
*2 gegründet 1952 – kulturelle Betätigung des IAV (LAV) – Korrespondenzstelle zu den Bolívar Gesellschaften in Lateinamerika
*3gegründet 12.10.1953
*4 Institut für Iberoamerika-Kunde, Jahresbericht 1964, Seite 1, Abs. 1

Quellen:
LAV Hamburg
IAI Berlin, SPK
GIGA Hamburg 
Am 12. Oktober 1961 besucht Bundespräsident Heinrich Lübke das Ibero-Amerika Haus. Prof. Grossmann, der damalige stellv. Vorsitzender des IAV (LAV) und spätere Präsident des Institutes für Iberoamerika-Kunde, zeigt dem Gast die wertvolle Sammlung der Linga-Bibliothek. 
Foto: Conti-Press Hamburg,
Quelle: LAV Hamburg
Ibero-Amerika-Haus in den 60er Jahren
Quelle: LAV Hamburg
Ibero-Amerika-Haus in den 60er Jahren
Der Lesesaal der Linga Bibliothek
Quelle: LAV Hamburg
Der Lesesaal der Linga Bibliothek
Bundespräsident Heinrich Lübke (1959-1969) auf dem Lateinamerika Tag am 12.Oktober 1961
Quelle: IAI Berlin, SPK
Prof. Nolte (rechts) mit dem früheren Präsidenten der Dominikanischen Republik, Dr Leonel Fernández.
Dr Fernández ist seit dem 19.11.2015 Präsident der in Hamburg ansässigen EU-LAC-Stiftung (Fundación Unión Europea-América Latina y el Caribe).
Quelle: ILAS
Copyright: Janina Pawelz
Prof. Nolte (rechts) mit dem früheren Präsidenten der Dominikanischen Republik, Dr Leonel Fernández.  Dr Fernández ist seit dem 19.11.2015 Präsident der in Hamburg ansässigen EU-LAC-Stiftung (Fundación Unión Europea-América Latina y el Caribe).