Golpear en el corazon de la gente*1
Der politische Künstler und Humanist Oswaldo Guayasamin und „Die Zeit des Zorns“
Hände, die sinnbildlich laut und schmerzlich aufschreien, die sich dem Betrachter in Angst, übergroß und mit ausgemergelten, dürren Fingern bittend entgegenstrecken oder Hände, die voller Zorn protestieren gegen Hunger, gegen Terror, gegen Ungerechtigkeiten, gegen Qualen, die der Mensch weltweit anderen Menschen zufügt.
Diese gewaltige Darstellung von Emotionen, „Las Manos – Die Hände“ des Expressionisten Guayasamin hängt nun symbolträchtig im 2014 eingeweihten Plenarsaal des Sitzes des Generalsekretärs der Union Südamerikanischer Staaten UNASUR, in der Ciudad Mitad del Mundo, einige Kilometer nördlich der Hauptstadt Quito in Ecuador. Quasi mahnend, zeigen die Hände auf jeden Abgeordneten des Staatenbundes, der sich mit dem Wunsch nach einer strategischen Vision zur Förderung von Demokratie und Bildung wie auch zur Abschaffung sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung in Südamerika gegründet hat.
Das 13-teilige monumentale Werk des ecuadorianischen Künstlers entsteht 1963-1965 und ist Teil seiner zweiten und längsten Schaffensperiode, die er „La Edad de la Ira – die Zeit des Zorns“ nennt. Dieser Zyklus „Die Zeit des Zorns“ wird 1968 zum ersten Mal in Mexico ausgestellt. Wut und Ohnmacht über den Holocaust, Hiroshima, den Vietnam-Krieg und Wut über das Leid und die Diskriminierung indigener Bevölkerungsgruppen, die Guayasamin auf seinen Reisen durch den eigenen Kontinent sieht, geben den Impuls zu dieser Reihe von Bildern.
Rassismus und Diskriminierung erfährt er selbst bereits sehr früh in seinem Leben - buchstäblich an der eigenen Haut. Er weiß, was Armut und Verlust bedeuten. Das prägt ihn und sein gesamtes schöpferisches Wirken. Er wird 1919 als ältester von 10 Kindern als Sohn eines Quechua Vaters und einer Mutter, die europäische wie auch indigene Wurzeln trägt, geboren. Der Vater arbeitet hart um seine Familie zu ernähren und zeigt keinerlei Verständnis für die künstlerische Gabe seines ältesten Sohnes.
Gegen den Widerstand des Vaters meldet er sich mit 12 Jahren an der Hochschule für Kunst in Quito an. Zu dieser Zeit erlebt er, wie sein bester Freund während des viertägigen Bürgerkrieges 1932 in Ecuador erschossen wird. Dieses Erlebnis lässt ihn nicht los, beeinflusst sein künstlerisches, politisches Wirken und Aufbegehren. Er fängt an, seine Bilder auf seine Weise sprechen zu lassen und den Armen und diskriminierten indigenen Völkern Lateinamerikas eine Stimme zu geben, die sie aus seiner Sicht nicht hatten.
Kein Geringerer als der Politiker Nelson Rockefeller wird 1942 auf ihn aufmerksam, als er mit 23 Jahren nach Beendigung seines Studiums eine Ausstellung eröffnet. Rockefeller ist zu dieser Zeit Präsident des Museums für Moderne Kunst (MoMA) in New York. Er kauft fünf Bilder Guayasamins und ermöglicht ihm auch finanziell für einen mehrmonatigen Aufenthalt in die USA einzureisen und seine Werke einem amerikanischen Publikum im MoMA zugänglich zu machen. „Sie haben sich nie wieder getroffen“, erzählt seine Tochter Verenice Guayasamin.
Guayasamin steht zwar oft in der Kritik, verschafft sich aber für seine Anliegen Gehör. Im Jahr 1988 gestaltet er eine 360 m² große Wandfläche eines Sitzungsraums des ecuadorianischen Kongresses. Zu wütenden Protesten des anwesenden US-Botschafters soll es bei der Einweihung gekommen sein, weil in einem Teilstück des Werkes „La Historia de la Patria“ auf einem „Nazi-Stahlhelm“ das Wort CIA steht. „Mein Vater stellt sich hierbei gegen die wiederholte, gewaltsame Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten lateinamerikanischer Staaten“, erklärt Verenice Guayasamin. Und Sie fügt weiter hinzu: „Die Botschaften meines Vater (in ihrer Gesamtheit) kommen nicht aus der Mode, sie sind weiterhin aktuell. Was früher passiert ist, geht heute weiter. Aber er hat die Hoffnung auf eine bessere Welt in Frieden nie aufgegeben. Alles was er getan hat, machte er für den Frieden“.
Vielleicht hat jedoch gerade sein Werk „Die Hände“ im Plenarsaal der UNASUR auch ohne Eklat und Provokation nach seinem Tod genau das geschafft, was er immer wollte: mahnend an die Herzen der Menschen zu klopfen – auch an die der Abgeordneten.
Yvonne Steiner, BRS Dortmund, 2015 - Interview mit Verenice Guayasamin 28.10.15
*1 Übersetzung: An die Herzen der Menschen klopfen
Guayasamin “Serie las manos”
…“Mi obra, no es una obra histórica ni de historicismo, sino más bien, es el símbolo de lo que el hombre ha sufrido en esta lucha por el hombre”…
…“Mein Werk ist weder ein historisches noch ein Werk des Historismusses, sondern vielmehr ein Symbol dessen, was der Mensch durch Menschen erlitten hat in diesem Kampf für die Menschheit.
“Las Manos” besteht aus 13 einzelnen Bildern und repräsentiert die entgegengesetzten Pole der Gesellschaft über die Hände des Unersättlichen, des Bettlers, des Schweigens, der Angst, des Wehklagens, des Zorns, des Terrors, des Aufschreies, der Zärtlichkeit, des Gebetes, des Nachdenkens, der Hoffnung und des Protestes. Das Werk hängt, aufgrund der Symbolik vom Architekten Diego Guayasamin bewusst so geplant, im Plenarsaal der Präsidenten der UNASUR. Die Installation hat ein Gesamtformat von 10,50 m Länge und 3,30 m Höhe.
Quelle: Fundacion Guayasamin
Eine kreative Familie
Diego Guayasamin, der Neffe des Künstlers Oswaldo Guayasamin, ist der Architekt des modernen UNASAR Gebäudes in „Ciudad Mitad del Mundo“, in der Stadt in der Mitte der Welt, am Äquator in Ecuador. Mit seinem Vater, ebenfalls Architekt, entwarf er das Gebäude des Museums Guayasamin.