LAV

„Liebesgabepäckchen“
in den Hinterhof des Krieges

Betreuung internierter Deutscher in Lateinamerika und in den USA während des 2. Weltkrieges

Über die Tätigkeit des Lateinamerika Vereins (LAV) in den 40er Jahren zu schreiben, ist eine Herausforderung in zweierlei Hinsicht. Erstens werden die Aufgaben des Vereins durch den Abbruch der Beziehungen der lateinamerikanischen Länder zu Deutschland und den nachfolgenden Kriegserklärungen eingeschränkt und dann durch diese politische Lage bestimmt wie auch verändert. Erst weit nach Kriegsende, im Mai 1947, organisiert sich der Verein neu und bittet über die Handelskammer Hamburg das Amtsgericht um Klärung, wann der Verein seine Tätigkeit „auf bizonaler Basis wieder aufnehmen könne“.

Zweitens, über eine Zeit zu schreiben, die bei weitem nicht zu der rühmlichsten in der deutschen Geschichte gehört, und auch in Lateinamerika einige unschöne Folgen des Krieges nach sich zog, löst bei uns Menschen Unbehagen aus.

Versetzt man sich dennoch aus dem Blickwinkel Deutschlands ins Jahr 1941, dann sieht es so aus:
Von den einstigen Tätigkeitsschwerpunkten des LAV, zu der Zeit Lateinamerika Verein (GELATEINO) Hamburg Bremen e.V, d.h. Förderung der Deutschen Wirtschaftsinteressen, Vertretung der Überseebelange in Deutschland und vor allem Vertretung der Deutschen Handelskammern in Lateinamerika, ist seit Kriegseintritt der USA 1941 kaum noch die Rede. Auf Druck der USA beginnt ein Staat nach dem anderen seine vormals guten diplomatischen Beziehungen zu Deutschland abzubrechen bzw. Deutschland den Krieg zu erklären. Die Handelskammern werden stillgelegt. 1942 sind nur noch die chilenische und argentinische Kammer eingeschränkt in Betrieb und können vereinzelt Informationen über die Lage in Lateinamerika übermitteln.

Umso dramatischer die Situation in Deutschland und Europa wird, desto mehr spitzt sich auch die Lage der Deutschen in Lateinamerika zu. Nach den deutschen Diplomaten, die als erste gehen müssen, stehen 1942 die meisten Deutschen und zum Teil auch die Deutschstämmigen in der zweiten Generation vor der Ausweisung oder Internierung.

Und so wächst der Lateinamerika Verein unweigerlich in eine Aufgabe hinein, die zu seinem Schwerpunkt bis zum Kriegsende und wahrscheinlich auch darüber hinaus werden sollte: Die Sammlung von Informationen über die Lage und das Schicksal der Deutschen in Lateinamerika bis zu deren Betreuung in Internierungslagern und deren, wie es damals hieß, „Heimschaffung“ und, soweit möglich, eine Wiedereingliederung ins deutsche Wirtschaftsleben.

Yvonne Steiner – Juli 2015

Quelle: LAV

Der Unterstützungsfond des Lateinamerika Vereins

Am 26.03.43 schreibt der Vorstand seinen Mitgliedern, dass 11 Internierungslager von den USA bis nach Brasilien mit Adresse bekannt seien. Bereits 1942 ist ein Unterstützungsfond auf Spendenbasis ins Leben gerufen worden – und die Spendenbereitschaft der Unternehmer war groß. In zwei Jahren werden über 90.000,- Reichsmark gesammelt. Mehr Geld, als der LAV jemals für seine umfangreiche und schwierige Betreuungsaktion ausgeben können sollte, da die Beschaffung von Waren und die entsprechende Logistik „auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten stieß“, wie in fast englischer Untertreibung im Jahresbericht für 1943 vermerkt ist.

Da Geldüberweisungen nach Lateinamerika unmöglich werden, schickt der Verein ab Herbst 1942 an alle bekannten Lager sogenannte „Liebesgabesendungen“. Das bedeutet z.B. „Liebesgabepäckchen“ mit Tabak und Süßigkeiten. Speziell jene Sendungen sollten ab April 1943 nicht mehr möglich sein, so dass der LAV sich von da an darauf konzentriert, hunderte von Büchern, vor allen Dingen Lehr- und Fachbücher, Musikinstrumente, Noten und Sportartikel oder Gesellschaftsspiele wie auch Arzneimittel zusammenzutragen und den Internierten persönlich zukommen zu lassen.

Ein ständiger Kraftakt für alle Beteiligten

Im April 1944 muss auch der geplante Kauf von Musikinstrumenten im Wert von ca. 10.000,- Reichsmark vom Reichswirtschaftsministerium genehmigt werden; ungeachtet der Prüfung, ob der fragliche Betrag überhaupt über das deutsch-spanische Clearing transferiert werden könnte, um die Sendung von Spanien aus durchzuführen. Aber die Chancen stehen gut, damals auf dem Höhepunkt des Weltkrieges, da der neue Leiter der kulturpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes – gemäß damaligem Sprachgebrauch – „darum bemüht sei, das Auslandsdeutschtum geistig auf der Höhe zu halten.“

Alle beschriebenen Aufgaben haben Vorstand und Geschäftsführung mit einer Sekretärin erfüllt, die stets davon bedroht war, zu einem anderen Arbeitsdienst abgezogen zu werden.

Yvonne Steiner, BRS Dortmund, Juli 2015

Quelle: LAV

Protokoll der Vorstandssitzung 16.04.43
Der LAV denkt bereits an die Zukunft:

„Herr Rabbow verwies auf den Mitgliederstand vom 1. April 1943, der durchaus erfreulich sei, besonders auf den Zustrom von persönlichen Mitgliedern, auf deren Mitarbeit der Verein besonderen Wert legt, da es sich bei diesen Mitgliedern in erster Linie um Herren handelt, die lange Jahre in Lateinamerika in verantwortlichen Stellungen tätig waren, und deren Erfahrungen beim Wiederaufbau der Handelsbeziehungen zu Lateinamerika nutzbar gemacht werden sollten.“

Anmerkung:

1941-1944 dreht es sich um 100 bis 120 Firmenmitgliedschaften. Persönliche Mitglieder sind im Vergleich zu heute praktisch nicht existent gewesen, nur 2-4; wobei sich die Anzahl sprunghaft um einige Heimkehrer aus Lateinamerika im Jahre 1942 auf 18 oder 20 erhöhte.    

Dankesbriefe aus der Gefangenschaft:
Bei diesen Absendern handelt es sich hauptsächlich um internierte Deutsche, die 1942 aus Lateinamerika ausgewiesen worden sind. Sofern sich jemand dafür entscheiden durfte, nicht ausreisen zu wollen, ist derjenige im Lande selbst auf unterschiedliche Art und Weise in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt worden.

Die Ausreise aus Lateinamerika erfolgte zu einem großen Teil über die USA, wo die "lateinamerikanischen Deutschen" festgesetzt wurden. In der ersten Hälfte des Jahres 1942 erfolgte der Weitertransport relativ schnell nach rund einem Monat, später jedoch verlängerte sich der Freiheitsentzug bis teilweise nach Kriegsende. Der Postverkehr zwischen den Internierungslagern in den USA und Deutschland ist im Vergleich zu den anderen Lagern als gut zu bezeichnen gewesen. Oftmals wurde im Postverkehr nur ein 25-Worte-Brief über das Rote Kreuz zugelassen.
Siehe Beispiel des Walter F. Mahnke aus Bonaire, Curacao, vom 05.05.1943.
El Liberal – 20. Januar 1942
El Liberal – 20. Januar 1942