POLITIK UND GESELLSCHAFT

Klingendes Stahl
oder das gestimmte Ölfass

„Calypso is Trinidad and Tobago“ sagt Howard Kroch, seines Zeichens Honorarkonsul des Inselstaates in Hamburg. Wenn es so ist, dann liegt die Insel der Dreifaltigkeit mitten im Ruhrgebiet, nämlich in Dortmund.

Hier in der früheren Stahlstadt hämmert und schlägt seit über 35 Jahren Deutschlands bekanntester Steeldrum-Bauer, der zudem mit der Gründung eines Vereins*1 zur Förderung der Steeldrum Musik mit derzeit mehr als 150 Mitgliedern und mehren Orchestern, eine große Steeldrum-Welle in Deutschland in Bewegung gesetzt hat. Und natürlich sind es diese klingenden Ölfässer, die Steel Pans wie sie bewusst in Trinidad und Tobago genannt werden, die eng mit dem afro-karibischen Musikstil Calypso verbunden sind und als nationales Kulturerbe des Landes gelten.

Der Autodidakt Eckhard Schulz hat bislang über 20.000 verschiedene Instrumententypen für Orchester in sprichwörtlicher, schwerer Handarbeit gefertigt und in alle Welt geliefert. Ob Tenor-, Sopran-, Bariton-Pan oder die weltweit einzigartige Big-Mama – eine riesige Steel Pan aus einer kompletten "Fassgröße" – am Anfang steht pure, rohe Gewalt. Seit jeher wird der Deckel des Fasses mit System „also nicht mal hier und mal da“ mit einem 5 kg-Vorschlaghammer nach unten getrieben – das heißt Sinking. „Da muss man mit der Schulter etwas vorsichtig sein, sonst baut man nicht lange Steel Pans“, lacht Schulz mit 70 Jahren.

Die Historie der Pans vom Rhythmus zum Melodieinstrument, ist eng mit der Kolonialgeschichte des Inselstaates verknüpft, der vereinfacht gesehen, als Kolonie mal spanisch, holländisch oder französisch und letztendlich bis 1962 britisch gewesen ist und erst 1888 zu Trinidad und Tobago verschmolz. Französische Pflanzer aus der Karibik, die zur Ansiedlung auf Trinidad ermutigt wurden, brachten die ersten afrikanischen Sklaven mit wie auch den Karneval; ein fast "weißes Fest", bis 1834 die Briten die Sklaverei per Gesetz abschafften. Dieser Tag der Sklavenbefreiung am 1. August ist der Ursprung des schwarzen Karnevals "Canboulay"*2, der später aus taktischen Gründen mit dem Karneval der weißen Oberschicht zusammengelegt wird. Denn die im Karneval spottenden Befreiten machten der Oberschicht Angst und so wird die ursprüngliche Emanzipationsfeier verboten.

Und noch etwas bleibt der herrschenden Gesellschaft nicht geheuer: Das rhythmische Trommeln, eine afrikanische Tradition, an der die Sklaven seit ihrer Verschleppung aus Afrika festhalten und die seither nicht mehr aus dem Karneval wegzudenken ist. Die britische Obrigkeit versucht wiederholt das perkussive Spiel und die überbordenden Karnevalsfeiern einzudämmen und verbietet in den 1880er Jahren die Trommeln, da sie vermutet, dass mit dem Trommeln Botschaften übermittelt werden und zum Aufstand aufgerufen werden könnte, der in Form der "Canbouley Riots" 1881 und 1884 tatsächlich stattfindet. Aber die Rolle des kritischen Nachrichtenübermittlers übernahm eher der Calypso d. h. sein Vorläufer "Chantwell" mit seinen Texten.

Die Kreativität der Trommler blieb stets ungebrochen; sobald ein Schlaginstrument verboten wurde, entwickelte man eben ein anderes. Eine Zeit lang schlugen die Musiker auf verschieden lange Bambusstäbe ein bzw. stampften sie in den Boden. Das waren die "Tamboo Bamboo Bands", die während des Karnevals durch die Straßen marschierten. In den 1930er Jahren hauten die Spieler auf alles Metallische ein, was sie fanden: Blechbüchsen, Mülleimer oder Keksdosen. Vielleicht auch spontan als Ersatz für einen Bambusstab, der beim Stampfen zerbrach.

„Irgendwann haben die mit dem Knüppel auf ein Ölfass gehauen und haben gemerkt, dass sich der Klang verändert, und dann haben sich einige pfiffige Typen gesagt, da  helfen wir ein bisschen nach“, erzählt Eckard Schulz. Die ersten Instrumente seien konvex statt konkav gewesen und hätten wohl auch nur zwei Beulen, das bedeutet zwei Tonfelder besessen. „Aber es war eine kleine Sensation, dass mit abgeschnittenen Ölfässern Musik gemacht wurde und eine Band nach dem Krieg 1946 zum Karneval aufspielte. Während des II. Weltkrieges wurde kein Karneval gefeiert, aber danach lagen tausende dieser Fässer aus der Ölförderung da.“

Heute haben Eckhard Schulz‘ Steeldrums bis zu 30 Töne; er stimme "tune" ein Fass so, das auf einem Tonfeld drei Obertöne liegen können. „Reine Physik“, erklärt er mit einer selbstverständlichen Handbewegung. „Und egal ob gebrauchte Fässer oder neue, man weiß beim ersten Hammerschlag nicht, was dabei am Ende herauskommt. Sehr spannend.“

1951 reist die Elite der Steel Pan Musik zu ihrem ersten Open Air Konzert nach Großbritannien. Ca. 11 Pioniere, unter ihnen Elliot Manette (Invaders), Winston Spree Simon (Tokyo), und Sterling Betancourt (Tripoli), repräsentieren als Trinidad All Steel Percussion Orchestra unter der Leitung von Leutnant Joseph Griffith Trinidad und Tobago. Und im Gepäck ist der Calypso, der auf den Sprung nach Dortmund zur "schönsten Pan-Yard der Welt" ansetzt.

Yvonne Steiner, BRS Dortmund, Juli 2016

Interview mit Eckhard Schulz, E.C.S. Steelpans, Dortmund, März 2016
*1 Pankultur e.V., Dortmund
*2 Das Wort Canboulay stammt von "Cannes Brulées" und rührt daher, dass früher die Sklaven bei einem Feuer auf den Feldern in das Zuckerrohr geschickt wurden, um es zu ernten bevor es verbrannte.
„Steelbands in Trinidad“ von Peter M. Michels, Frankfurt
National Library, Trinidad and Tobago
www.seetobago.org
thecommonwealth.org/our-member-countries/trinidad-and-tobago/history
POLITIK UND GESELLSCHAFT

Such den Ton – Die Standardisierung der Steelpan

Eckhard Schulz und das "Integrale System"

„Ich sehe sehr deutlich, dass die Entwicklung der Pan in Europa - und wahrscheinlich überall auf der Welt - nur dann kontinuierlich fortschreiten kann, wenn wir gut ausgebildete Musiker als Lehrende für uns gewinnen können. Bei dem heillosen Durcheinander der einzelnen Pan-Layouts ist das jedoch so gut wie ausgeschlossen,“ meint Eckhard Schulz, von e.c.s. Steeldrums. Er wünschte sich einen internationalen Standard im Layout für Steelpans und entwickelte daher vor Jahren das sogenannte Integrale System, das eine übergreifende Wiedererkennung der Tonposition auf einer Pan ermöglicht.

Ein Austausch von Musikinstrumenten ist bislang nicht möglich, der Musiker müsste erst "den Ton suchen". Es ist so, als ob eine Klaviertastatur jedes Mal anders wäre. „Die Instrumente unseres Vereins Pankultur e.V. sind alle gleich“, sagt Schulz, „nur so kann der Musiklehrer die Schüler gemeinsam unterrichten und eine Sprache sprechen.“

Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Der Musiker und Instrumentenbauer Eckhard Schulz in seiner Werkstatt
Fotos/Rechte: Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Der Musiker und Instrumentenbauer Eckhard Schulz in seiner Werkstatt
Innenseite einer Steelpan in Arbeit
Fotos/Rechte: Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Innenseite einer Steelpan in Arbeit
Stillleben mit Werkzeug
Fotos/Rechte: Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Stillleben mit Werkzeug