Condor über Feuerland
Die deutschen Flugpioniere in Südamerika und die „Syndicato Condor Ltda.“
Die weite Südamerikas, die schwierige Topographie und der Hauch von Gefahr, hat die Menschen von jeher zu Abenteuern und legendären Pioniertaten auf dem Kontinent angeregt. Das war auch in der Luftfahrt so.
Gunther Plüschow z. B., ein deutscher Pilot und Abenteurer, war schon zu Lebzeiten eine Legende. 1928 schrieb er mit seinem Heinkel Doppeldecker Geschichte, als er mit seinem „Silberkondor“ *1 als erster über Feuerland flog. Er wurde damit zum Nationalhelden in Argentinien und öffnete, wie er selbst sagte, „erst den Luftweg in diesen Breitengraden“.
Vielleicht haben wir es jedoch dem ersten Weltkrieg, der deutschen Auswanderung oder den Auflagen, denen Deutschland nach dem Krieg unterlag, zuzuschreiben, dass deutsche Wissenschaft, Technik und Unternehmertum vielerorts im Ausland zum Einsatz kam.
Eine andere, nachvollziehbare These ist, dass die Menschen in Südamerika mit Hilfe deutscher Piloten und deutscher Technik eine Chance sahen, ihre Infrastruktur zu verbessern und den unwegsamen Kontinent verkehrstechnisch zu erschließen. Letztendlich boten sich für Deutschland große Absatzaussichten.
Fest steht, dass die Entwicklung des Ganzmetal-Kabinenflugzeuges „Junkers F13“ mit Polstersitzen und Heizung 1919, die zivile Luftfahrt kommerziell nutzbar macht, und die erste Fluggesellschaft in Südamerika 1919 entsteht. Und es steht fest, dass diese erste Fluglinie „Sociedad Colombo-Alemana de Transportes Aéreo“ (SCADTA)*2 eine deutsch-kolumbianische ist und von Werner Krämer, Ernesto Cortizzos und anderen gegründet wird. Ebenso ist die brasilianische VARIG 1927*3 wie auch die Aero Lloyd Boliviano 1935 auf eine deutsche Initiative zurückzuführen.
Der deutsche Pilot Hellmuth von Krohn beförderte für die SCADTA Briefe und überwand 1920 die damals ungeheure Strecke von Barranquilla an Kolumbiens Karibikküste bis hinauf nach Bogota im Hochland. Wochenlange Flußfahrten auf dem Rio Magdalena und die Überwindung von Hochgebirgspässen auf Maultieren und mit Ochsenkarren sollten sich später erübrigen.
Syndicato Condor und die Luft Hansa AG
Nach 1919 weitet die SCADTA ihr Streckennetz von Kolumbien bis nach Ecuador kontinuierlich aus. Die Junkers-Werke streben ebenfalls danach, eine Fluggesellschaft in Lateinamerika zu gründen, um diesen attraktiven Markt zu erschließen. So startet Junkers 1922 ihre dramatische Südamerika-Expedition von der Karibik an der Küste entlang bis nach Argentinien. Aber dann kam doch alles anders.
Im Mai 1924 wird in Brasilien das Condor Syndikat gegründet, an dem sich neben der Deutschen Aero Lloyd (DAL) auch die SCADTA beteiligte. Zwei Jahre später fusionieren die zu der Zeit führenden deutschen Fluggesellschaften DAL und Junkers-Luftverkehrs AG zur Deutschen Luft Hansa AG (DLH), woraufhin diese kurz darauf Strecken in Europa, Südamerika und Fernost aufnimmt.
Inzwischen gelingt es dem Condor Syndikat, deren Hauptaktionär nun Luft Hansa geworden ist, die Konzession für einen regelmäßigen Streckendienst entlang der Küstenlinie Brasiliens zu erlangen. Dazu wurde die Gründung einer Fluggesellschaft notwendig, die am 1. Dezember 1927 als Syndicato Condor Ltda. eingetragen wird. Beteiligt waren die Firma Hermann Stoltz & CIE aus Hamburg mit einer Filiale in São Paulo, der Brasilianer Conde Ernesto Pereira Carneiro und die deutschen Flieger Fritz W. Hammer und Max Sauer.
1928 erhält Condor die Konzession für den Flugbetrieb in ganz Brasilien und stellt die verkehrstechnische Anbindung des riesigen Hinterlandes sicher. Eine Sensation, denn es ist nicht gängig, dass ein de facto ausländischer Betreiber, die Konzession für den inländischen Flugverkehr erhält.
Zum 10. Jubiläum 1937 befördert die Condor mit 39 Flugzeugen insgesamt 15.000 Passagiere*4.
Und wieder beendet Krieg eine erfolgreiche Zusammenarbeit: Aufgrund politischer Konflikte zu Beginn des zweiten Weltkrieges, ist das deutsch-brasilianische Unternehmen Syndicato Condor Ltda., das zwischenzeitlich in Serviços Aeros Condor Ltda. (SAC) umbenannt wurde, Ende 1941 gezwungen, den Betrieb vorerst einzustellen.
Der „deutsche Condor“ verschwand. 1943 wurde das Unternehmen in Serviços Aéreos Cruzeiro do Sul Ltda (SAC) umbenannt.