Auswanderung und Seetouristik der ersten Stunde
Das Kontrastprogramm der 20er Jahre und die Geschichte der Hamburg Süd
Was standesgemäßes Reisen bedeutet, wird sicherlich von Mensch zu Mensch, je nach Geschmack und Geldbeutel immer unterschiedlich definiert. In der Zeit zwischen den Kriegen, in den goldenen 20er Jahren, als das Schiff abgesehen von der Handelsschifffahrt ein normales Linien-Verkehrsmittel war, mit dem man nach Übersee zwischen dem lateinamerikanischen und dem europäischen Kontinent pendelte, legte die High Society sicherlich ihre eigenen Maßstäbe an. Es gibt eine Anekdote, dass eine reiche Farmerfamilie aus Lateinamerika eine eigene Kuh und auch lebende Hühner mit an Bord brachte, um die ganze Familie und insbesondere die Kinder mit frischen Eiern und Mich zu versorgen. Denn wie sollten die Kinder auch ohne frische Milch und legefrische Eier eine Woche auf See zurechtkommen. Wobei diese Aspekte einer gesunden Ernährung die Reederei von sich aus schon berücksichtigte. Sogar in der 3. Klasse stehen an 2 Tagen in der Woche 2 gekochte Eier auf dem Speiseplan. Die Geräuschkulisse im Laderaum gleicht einem Bauernhof. Und natürlich bekommen die Kinder wie auch die anderen Passagiere täglich frische Milch – nur nicht von dem tierischen Mitglied jener Familie. Diese Kuh wurde auch bald seekrank und landete nach der Ankunft in Europa auf den Tellern der Besatzung. So wurde ihr die Rückfahrt erspart.
Kommen und Gehen – Alte und Neue Welt - Kreisverkehr
In den Zeiten der Massenauswanderungen lief fast täglich ein Passagierschiff Richtung Nord-, Mittel- oder Südamerika aus. Die Geschichten von unterwegs oder Mythen sind vielfältig, allerdings nicht immer grundsätzlich so heiter. In der Zeit von 1920-1929 sind allein in Brasilien an die 76000 Deutsche eingewandert.
Zu dieser Auswanderer-Gruppe kommen noch viele Menschen anderer Nationalität hinzu, die von Bremen oder Hamburg aus den sprichwörtlichen „Häfen der Träume“ mit viel Mut ihren Weg in ein neues Leben auf einem ihnen unbekannten Kontinent antraten.
In dieser Situation zeigt sich die Hamburg Süd kreativ und erfindet die Einklassenschiffe, die zwar keinen Luxus bieten, jedoch gemütlich sind und auf denen allen Passagieren sämtliche Decks zur Verfügung stehen. „ Erste Ausreisen von Hamburg nach Rio de Janeiro, Santos, Montevideo und Buenos Aires mit dem Schnell-Motorschiff „Monte Sarmiento“ oder „Monte Olivia“ – nur für Reisende in der 3. Klasse“ verkündet ein Plakat 1924. „Die Schiffe verfügen über zwei Speisesäle, Gesellschaftshalle, Rauchsalon, Schreib-, Lese- und Büchereizimmer, fließendes Wasser in den Kammern, breite Promenadendecks.“ 2500 Passagiere finden in unterschiedlich großen Kabinen und Schlafsälen Platz. 280 Besatzungsmitglieder kümmern sich um das Wohl der Reisenden.
In einer Zeit der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und extremer Gegensätze zwischen existentieller Not und enormem Reichtum, sind diese Einklassenschiffe eine Revolution in der Reisebranche und ein Zeichen des Aufbruchs und der Experimentierfreudigkeit.
Um sich nicht nur auf den Linienverkehr mit Auswanderern zu konzentrieren, die, wie wir heute wissen, ihre Relevanz als wesentliche Zielgruppe verlieren werden, entwickelt die Hamburg Süd ein innovatives Marksegment. Die Reederei bietet 1922 mit der generalüberholten „Cap Polonio“ eine der ersten Kreuzfahrten an. Drei Wochen von Buenos Aires aus in das Gebiet Feuerlands und in die Magellan-Straße und wieder zurück. Die Seetouristik ist geboren und eine weitere lukrative Einnahmequelle erschlossen. Denn eine Zielgruppe nimmt diese Vergnügungsreisen begeistert an: die zahlungskräftigen Südamerikaner.
Heute, im 21. Jahrhundert, bestimmt wieder wie einst zu Gründungszeiten der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft 1871, die Handelsschifffahrt das Tagesgeschäft der Hamburg Süd. Die Rundreise mit einem 9.600 TEU (20-Fuß-Container) Containerschiff von Europa nach Südamerika und zurück mit mehreren Zwischenhäfen, kann in der umweltschonenden Slow Steaming-Fahrweise durchaus 56 Tage dauern.
Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Quelle: HSDG
Theodor Amsinck
Gründungsmitglied des „Hamburgischer Ibero-Amerikanischer Verein“ 1916
Geb. 10.12.1868
Gest. 08.03.1950
Langjähriger Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied der Reederei Hamburg Süd und wohl einer der bekanntesten Gründungsmitglieder des Lateinamerika Vereins im Jahre 1916.
Bis 1896
Mehrere Jahre Auslandstätigkeit bei verschiedenen Vertretungen der Reederei in Brasilien und Argentinien
1896
Eintritt in den Vorstand der HSDG, amtiert als einer der drei Direktoren.
1901-1934
Vorsitz im Vorstand der „Hamburg Süd“ Verantwortlich für die Entwicklung der bekannten Passagierschiffe der „Cap-Klasse“ vor und nach dem ersten Weltkrieg.
29.07.1934
Nach 37-jähriger Tätigkeit als Vorstandsmitglied Wechsel in den Aufsichtsrat des Unternehmens. Sein Sohn Herbert Amsinck führt die Tradition fort und wird Mitglied des Vorstandes wie auch Vorstandsmitglied des Lateinamerika Vereins.
29.07.1934 - 08.03.1950
im Aufsichtsrat der „Hamburg Süd“