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La Importancia Comercial de Bremen

Die Expansion des Unternehmens Louis Delius in Lateinamerika ab 1910

Deutschland geht es gut bis zum 1. Weltkrieg: „…die Menschen sind überwältigt von dem Gefühl, dass sie in einer beschleunigten Welt leben.“*1. Die Welt verändert sich spürbar. Ungeheure Innovationsschübe aufgrund der Spitzenleistungen in der Forschung  deutscher Universitäten, jedoch auch Veränderungen in der Gesellschaft lassen Deutschland zur größten Industrienation Europas werden. Die Regierungen des Kaiserreiches streben nach neuen Märkten, Investitionsmöglichkeiten und Rohstoffen. Und hier kommen die Bremer und Hamburger Kaufleute ins Spiel, die zu jener Zeit mit ca. 70 %  am Lateinamerikahandel Deutschlands beteiligt gewesen sind. Das traf gleichermaßen auf den Import und den Export zu*2.

Zu einem bedeutenden Handelshaus herangewachsen war auch die Bremer Firma Louis Delius & Co seit ihrer Gründung im Jahre 1832. Die Firma hat sich eine besondere Lateinamerika Kompetenz erworben. Diese Kompetenz ist hauptsächlich dem erfahrenen Kaufmann und Teilhaber Carl Theodor Merkel zuzuschreiben, der einige Jahre in Barranquilla, einem kolumbianischen Handelshafen, nicht nur Im- und Exportgeschäfte vorrangig mit Tabak betrieb, sondern dort auch deutscher Konsul war. Der kannte sich aus. 1881 tritt der ehemalige Lehrling der Firma Louis Delius als Teilhaber in die Firma ein und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

Die Inhaber sind bestrebt, ihre spezifische Angebotspalette zur Befriedigung der Kunden im In- und Ausland zu ergänzen und sich auf Länder und Produkte einzustellen, mit denen Handel getrieben werden konnte. Wer am Markt bestehen wollte, musste flexibel sein und sich den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen anpassen. „Das hat sich bis heute nicht geändert“, so Volker Schütte, seit 1995 geschäftsführender Gesellschafter des Traditionsunternehmens.

Mit vollen Schiffsladungen mit Leinen- und Wollstoffen nach Mittel- und Südamerika hin und mit Tabak- und Kaffeeladungen zurück - dieser Warenverkehr wird zu Anfang des neuen 20. Jahrhunderts ergänzt und bald darauf verdrängt durch den wachsenden Bedarf der lateinamerikanischen Länder an Industrieprodukten, d.h. Maschinen, Eisenwaren und Baumaterial. Vertreter der Firma Louis Delius & Co kaufen und verkaufen Produkte, versichern und finanzieren aber auch Warengeschäfte. Die Geschäfte auf Gegenseitigkeit laufen über Verrechnungskonten und mindern so das Währungsrisiko wie auch das Risiko des Forderungsausfalls.

Wie sehr sich Carl Theodor Merkel mit Marketing und Kommunikation auskannte, sehen wir an einer kleinen, aber für die Zeit beachtenswerten Broschüre, die die Firma Louis Delius & Co 1906 für Ihre lateinamerikanischen Geschäftsfreunde auf Spanisch drucken ließ: La Importancia Comercial de Bremen – Pequeño estudio ofrecido por Louis Delius & Co.

Denn Carl Theodor wie auch sein Sohn Carl August Merkel, der am 01.01.1910 als Juniorpartner in die Firma eintritt, wissen schon damals, was den Erfolg des Unternehmens im Ausland fördert: Gute Sprachkenntnisse, die Präsentation der Waren in der jeweiligen Währung und den Maßen des Landes und die Fähigkeit, auf das Denken und die Anschauungen der fremden Nation einzugehen. 1910 nimmt die Firma Louis Delius das Wort Exportgeschäft offiziell in die Bezeichnung des Unternehmens auf und richtet eine Exportabteilung für Werkzeuge ein.

Carl August Merkel sammelt ebenfalls reichlich Auslandserfahrung in Lateinamerika und erkundet neue Märkte und Möglichkeiten in Chile, Peru, Kolumbien und Venezuela. Deutschland war geschätzt in Lateinamerika. So schreibt der damalige US-Militärattaché in Peru im Jahr 1912 in einem Memo, dass die ökonomische Vorherrschaft in Südamerika an Deutschland fallen werde. Die Deutschen seien die wirtschaftlich tonangebende Macht in Brasilien und Chile und zudem drauf und dran diese Position auch in Kolumbien, Argentinien, Bolivien, Peru und Ecuador zu erlangen.*3

Der 1. Weltkrieg mit der Seeblockade gegen deutsche Schiffe ist eine Zäsur. Den goldenen Jahren bis zum Ausbruch des Krieges folgen schwierige Jahre, die die Firma Delius aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit und ihrer lateinamerikanischen Schlüsselkompetenz meistert.

Eine der wesentlichen Maßnahmen für ein Import- und Exportgeschäft ist natürlich die Sicherstellung eines kontinuierlichen Informationsflusses als Geschäftsbasis. Der Ausnahmezustand des 1. Weltkrieges ließ dies kaum zu, da die Kommunikation erschwert und die Beziehungen wesentlich gestört waren. Dieser Umstand führte in 1916 zur Gründung des heutigen Lateinamerika Vereins mit 552 Unternehmen und Institutionen, die sich im ersten Jahr dem Verein anschlossen. Und so wird auch die Firma Delius in den ersten Jahren nach der Gründung Mitglied. Der „Hamburgische-Iberoamerikanische Verein“ hieß ab 1934 Latein-Amerikanischer Verein (Gelateino) Hamburg-Bremen e. V.“. Carl August Merkel saß im Vorstand und ebenso ab 1956 Carl Otto Merkel, der 1977-1981 Vorstandsvorsitzender war.

La Importancia Comercial de Bremen – den Blick auf das Wesentliche und nach vorn zu richten, hat Tradition im Hause Louis Delius & Co. Die Versorgung der lateinamerikanischen Märkte mit Industrieprodukten, die vor über 100 Jahren begann, zählt auch heute noch zu den expansiven Sektoren der Firma.

Yvonne Steiner, BRS Dortmund   

*1 Philipp Blom – deutscher Historiker + Journalist
*2 Peter Rösler: 80 Jahre Ibero-Amerika Verein
*3 Melvin Small: The United States and the German "Threat" to the Hemisphere, 1905-1914, in: The Americas, Jg. 28 (1972), Nr. 3, S. 252-270 (hier: S. 253).  
Carl Theodor Merkel (rechts) u. Johann F. Hollmann in Barranquilla 1871.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Carl Theodor Merkel (rechts) u. Johann F. Hollmann in Barranquilla 1871
A. Harms u. Carl August Merkel (2. u. 3. von links) mit Geschäftsfreunden in Barranquilla um 1908.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
A. Harms u. Carl August Merkel (2. u. 3. von links) mit Geschäftsfreunden in Barranquilla um 1908
Außendienstmitarbeiter in Kolumbien 1926.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Außendienstmitarbeiter in Kolumbien 1926
Barranquilla „Callejon de California“.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Barranquilla „Callejon de California“
Wäscherinnen am Magdalenenstrom.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Wäscherinnen am Magdalenenstrom
Wasserverkäufer in Barranquilla.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Wasserverkäufer in Barranquilla
Handelshafen von Barranquilla.
Quellverweis: Foto Louis Delius & Co.
Handelshafen von Barranquilla