Das Ibero-Amerikanische Leitbuch 1916
Der emotionale Hintergrund im Kontext des 1. Weltkrieges – eine Interpretation
Lateinamerika und Deutschland sind, trotz großer geographischer Trennung, über die Geschichte der letzten Jahrhunderte kulturell, politisch und ökonomisch eng miteinander verbunden. Deshalb ist die Bevölkerung in Lateinamerika, mit seinem hohen Einwandereranteil aus verschiedenen Teilen Europas, besonders erschüttert über der Kriegsausbruch 1914. Der Krieg löst Bestürzung aus, hat wirtschaftlich katastrophale Konsequenzen und spaltet letztendlich. Für Lateinamerika ist das alte Europa ein Vorbild, und nun sehen die Menschen, wie diese Welt in Barbarei zerfällt.
In Deutschland hingegen fühlen sich viele Menschen falsch dargestellt, sehen sich ungerecht als Barbaren verurteilt und wollen deutschlandweit etwas dagegen tun. In diesem emotionalen Klima „der größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte“, wie es in Lateinamerika kommentiert wird, rufen alle Initiatoren des Lateinamerika Vereins zu einer Petition auf, zu einer Beteiligung an einer „wirksamen Pflege kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen“ mit Spanien, Portugal und Lateinamerika. Dies bezieht sich „patriotisch“ im Geiste der Zeit nur auf die zu Deutschland im Kriege neutralen Länder.
Die Unterzeichner dieses Aufrufes sehen sich als konsequenter Zusammenschluss bestehender Einrichtungen der Presse, der Wissenschaft und der Wirtschaft und wollen die Arbeit dieser Einrichtungen „nutzbar machen“. Sie veröffentlichen das Ibero-Amerikanische Leitbuch 1916.
Die Akademiker wie auch Unternehmer haben das Bedürfnis, das Deutschlandbild in der spanisch-portugiesischen Welt richtig zu stellen, das wie sie meinen, durch „die Feinde Frankreich und England“ verfälscht sei. Sie wollen einer aufkommenden Deutschfeindlichkeit entgegentreten „über Deutschlands „wahre Art aufklären“, letztendlich auf beiden Seiten Sympathien wecken.
Obwohl aus Ihrer Sicht fast zu spät, da „der Feind“, die anderen Völker „schon in seinen Bann gezogen hatte“, wollen sie „Ziele weisen, Verständnis hüben und drüben verbreiten“, Kultur- und Wirtschaftsinteressen vertreten.
Der Verein hat bereits Pläne für die Zeit nach Kriegsende. Er will zusätzlich ein „Centro Ibero-Americano“ mit Club, Lesezimmer und Auskunft ins Leben rufen, eine Bibliothek und ein Archiv aufbauen. Wie wir heute wissen, hat er diese Ziele erreicht. Interessant ist der Beschluss der Mitgliederversammlung, den Ibero-amerikanische Nachrichten- und Archivdienst einzig für die „lebenslänglichen und ordentlichen Mitglieder“ kostenlos zu schaffen. Als Folge erscheinen die Ibero-amerikanischen Mitteilungen bis zum heutigen Tag.
Der Verein fördert intensiv Sprachkurse, da die Mitglieder die Kommunikation in der jeweiligen Landessprache als wesentliche Vorbedingung für eine erfolgreiche Berufs- und Geschäftstätigkeit sehen.
„Angesichts der Tatsache, daß innerhalb der gebildeten Schichten Deutschlands eine im allgemeinen äußerst spärliche und seltene Kenntnis der spanischen Sprache anzutreffen ist, und daß deren Pflege im deutschen Unterrichtswesen in keiner Weise der hohen Bedeutung entspricht, die diesem Idiom im Rahmen unserer Auslandsstudien zukommt, veröffentlichte der Verein eine Entschließung, die auf die dringende Notwendigkeit einer Hebung der spanischen Studien auf Universität und Schule hinweist.“ Auch die portugiesischen Sprachkenntnisse lägen „allenthalben in Deutschland im argen“.
Mit „Orientierung und Rat von Kennern“ können sich die Mitglieder untereinander helfen. Man hält Vorträge in über Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftsleben, das Verkehrswesen, Landes und Volkskunde, Kunst, Literatur, Geschichte und Kultur und hält den intensiven Kontakt zu den verschiedenen diplomatischen Corps.
Aber auch um die Touristik kümmert sich der Verein. Um den „Reiseverkehr jeglicher Art, insbesondere den Touristenverkehr“ zu fördern, bietet der Verein seinen Mitgliedern kostenfrei Auskunft und Unterstützung. Das Ibero-Amerikanische Leitbuch 1916 ist kostenfrei in mehreren tausend Exemplaren an amtliche Stellen, Institute und Interessierte versandt worden.
Yvonne Steiner, BRS Dortmund
Eine karikierte Sicht auf den „Großen Krieg“ als Spiegel der Zeit
Reflexion des 1. Weltkrieges in Argentinien
Diese Zeitschrift ist die uns einzig bekannte, die sich ausschließlich mit dem 1. Weltkrieg, der zeitgenössisch noch‚ der große Krieg „La Gran Guerra“ genannt wurde, beschäftigte. Niemand konnte seinerzeit ahnen, dass es noch einen weiteren geben würde. Das Wochenblatt ist am 1. September 1915 erschienen.
Interessant ist, dass Zeichner und Herausgeber über die humane, pazifistische Aussage eine sehr neutrale Position zu den Kriegsparteien Frankreich, Russland und Deutschland einnehmen. Die dritte Zeichnung ist allerdings anti US-amerikanisch zu werten.
Dieses weltweit einzig bekannte Exemplar der Zeitschrift ist im Besitz des Ibero-Amerikanischen Institutes in Berlin und wird hiermit auf der Plattform „¡Tanto Tiempo!“ zum ersten Mal veröffentlicht.